Internet bedroht Einzelhandel

Berlin www.wirtschaftsnachrichten.org – Auf den ersten Blick scheint es paradox: Ins erste Halbjahr 2012 startete der deutsche Einzelhandel mit einer starken Bilanz, nach einem Tief im März und April war zuletzt wieder ein Kaufzuwachs zu verzeichnen. Dennoch zeigen Umfragen des Handelsverbands Deutschland, dass die Negativerwartungen der Branche lange nicht so ausgeprägt waren, wie es aktuell der Fall ist.

Auch die Zahl der Passanten auf den großen Einkaufsmeilen ist zurückgegangen. Aktuelle Studien zum Kaufverhalten zeigen, dass in diesem Jahr rund 50.000 Passanten weniger auf den 170 beliebtesten Einkaufsstraßen unterwegs waren als im Vorjahr. Schuld daran sind nach Ansicht von Handelsexperten mehrere Faktoren. So habe die Euro-Krise die Kauflaune der Deutschen getrübt, die hohen Spritkosten wirken sich ebenfalls negativ aus. Die Gewinnbilanz der Händler wird zudem durch steigende Energiekosten getrübt.

Ebenfalls ins Gewicht fällt der Wandel im Kaufverhalten. Das Geschäft im Internet erfreut sich zunehmender Beliebtheit, auch hochwertige Markenartikel wie Bekleidung oder Unterhaltungselektronik werde immer häufiger per Mausklick gekauft. Zahlen, die der Branchenverband des Online- und Versandhandels vorlegt, belegen diesen Trend. Allein im zweiten Quartal 2012 verzeichnete die Branche ein Umsatzplus von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Unter den abwandernden Kunden leiden besonders Buchläden, die mit Online-Anbietern wie Amazon nicht mithalten können. Kaum verwunderlich also, dass gerade der Mittelstand skeptisch in die wirtschaftliche Zukunft blickt. Rund 41 Prozent der Händler, die der mittelständisch geprägte Handelsverband Deutschland in einer aktuellen Umfrage zu Wort kommen ließ, erwarten stagnierende Umsätze. 26 Prozent gehen davon aus, dass weitere Umsatzeinbußen drohen. Angesichts des Online-Booms ermutigt jetzt auch die IHK verstärkt den Mittelstand, sich im Internethandel ein zweites Standbein zu schaffen. Ergänzt ein Online-Angebot das Ladengeschäft, kann der Einzelhändler seine Waren dem Kunden somit 24 Stunden zum Kauf anbieten.

Leerstände müssen die Einkaufsstraßen derzeit noch nicht fürchten – nach Mietflächen im Einzelhandel besteht nach wie vor große Nachfrage. Denn vor allem Mode- und Handelsketten aus dem Ausland haben den deutschen Markt für sich entdeckt. Davon profitieren vor allem die Top-Lagen in den großen Städten, die hohe Passantenfrequenzen vorweisen können und so einen guten Umsatz versprechen: Einkaufsstraßen wie die Frankfurter Zeil oder die Schildergasse in Köln, die zu Spitzenzeiten in der Stunde um die 13.000 Passanten verzeichnen. Vorausgegangen ist diesen Vorzeigezahlen allerdings in den meisten Fällen ein kräftiger Investitionsaufwand. Dazu gehören ein attraktiveres Umfeld mit baulicher Umgestaltung und neuem gastronomischen Angebot ebenso wie umfangreiche Investitionen der Handelsketten selbst.

Für das Weihnachtsgeschäft machen Marktforschungsinstitute dem Einzelhandel allerdings Hoffnung. So sei die Konsumlaune der deutschen Verbraucher nach wie vor stabil. Der Handelsverband Deutschland geht für das Jahr 2012 von einem Umsatzwachstum von nominal 1,5 Prozent und einem Umsatz von rund 430 Milliarden Euro aus. Auch im kommenden Jahr steht laut Handelsverband bei den zu erwartenden Einnahmen kein drastischer Einbruch ins Haus. Wie sich die Konsumlaune entwickelt, dürfte allerdings auch davon abhängen, ob der deutsche Arbeitsmarkt trotz Krise weiterhin stabil bleibt.

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